Europa in sieben Tagen…

„Europa in sieben Tagen, moralische Vermessungen, lautet der Buchtitel von Clemens Sedmak.

Es beschreibt anhand einer seltsamen Konstruktion das moralische Fundament Europas. Wenn Europa seinen Geburtstag feiern würde, welche Ereignisse würden als Gäste erscheinen um das moralische Gewissen Europas zu repräsentieren? Wer würde am Festessen teilnehmen?

15. Februar 2003 würde den Frieden an die Tafel holen.
An diesem Tag fanden in Barcelona, Berlin, London, Madrid, Paris und Rom Demonstrationen gegen den Loyalitätskundgebungen für den US amerikanischen Krieg im Irak statt.

29. April 2003 bittet die Menschenrechte zur Feier.
Der Europäische Gerichtshof entscheidet den Fall Diane Pretty. Recht auf Leben bedeutet auch Recht auf menschenwürdiges Sterben.

3. Mai 1998, jede Moral braucht eine wirtschaftliche Grundlage.
Die Verantwortungsträger der EU Mitgliedstaaten beschlossen im Europäischen Staat, dass 11 Mitgliedstaaten die erforderlichen Bedingungen für die Einführung der einheitlichen europäischen Währung EURO erfüllen.

11. Mai 1960 erinnert an die Würde des Wissens.
Dies war der Tag, an dem Adolf Eichmann gefasst wurde.
Es war die Überwindung der Gräben, die die jüngste Geschichte Europas durchziehen. Diese Gräben können nicht einfach zugeschüttet werden.
Was bedeutet, Schweigen, Nichtstun und Unterlassen für die moralische Ressource Europas?
Hier stellt sich immer wieder die Frage nach Erinnern und Verzeihen, nicht vergessen.
Die Zukunft Europas hängt von der Kraft ab, die diese Wunde des Wissens, ob der Grausamkeiten, die die Geschichte Europas geprägt und die Identität der Europäer/innen geformt hat, entfalten kann.

12. September 2006 lädt als Gast die Vernunft im Religiösen.
Die Rede Papst Benedikts in der Aula Magner der Universität in Regensburg.
Europas Identität hängt maßgeblich mit dem Verhalten von Vernunft und Glaube zusammen. Das Ringen von Kopftuch und Kruzifix im öffentlichen Raum darf nicht auf der Basis kühler Vernunftüberlegungen geführt werden, auch nicht alleine von denjenigen die einer „Humboldtwelt der Bildung“ angehören, auch nicht von Eliten, die einen Binnendiskurs führen, abhängen.

27. September 2005 an der Tafel nehmen die armen Verwandten Platz.
„Die Boote auf hoher See“. Menschen versuchen verzweifelt, auf der Suche nach einer neuen Existenz nach Europa zu kommen. Der 27. September steht für diesen Stachel im Wohlstandsbauch Europas. Das Jahr 2005 war geprägt von Gedenkfeiern, die eine einzigartige Friedensgeschichte im Nachkriegseuropa zelebrierten. Wie gehören diese beiden Bilder zusammen?

24. Dezember als Gast der Verheißung der Moderne
Dieser Tag drückt den Willen zur Behaglichkeit aus. Die Suche nach Komfort, Versprechungen der Moderne, die für das europäische Projekt prägend geworden sind, das von der Sehnsucht nach Frieden, Sicherheit, Wohlstand, Fortschritt und Stabilität in Bewegung gesetzt wurde.

Ein interessantes Buch, dass Europa in einem neuen Licht erscheinen lässt.
aus Verlag Anton Pustet, Europa in sieben Tagen, Moralische Vermessungen.

Votum in Irland

Wie demokratisch ist eine Gemeinschaft, wenn ein Land die Entscheidung von 26 anderen Staaten zunichte machen kann?

Die europäische Demokratie funktioniert eben nicht wie ein Nationalstaat. Sie setzt sich aus einem Parlament, einem Ministerrat von Mitgliedstaaten und einer Kommission zusammen. Die Mitgliedstaaten haben ähnlich einem Bundesrat das föderale Prinzip zu vertreten. Dieses Prinzip ist derartig stark verankert, dass Entscheidungen ständig ausverhandelt werden müssen. Nicht die Größe des Staates, nicht die Einwohnerzahl sondern einzig und allein der Staat an sich repräsentiert eine Stimme. Grundsätzlich finde ich dies sehr gut. Die Union ist eben kein Nationalstaat sondern segelt ähnlich einer Flotte mit dem Wind, in eine gemeinsame Richtung. Der eine etwas schneller, der andere langsamer, je nach Größe, Wind und Raumbedarf. Sie sind kein militärischer Verband, dessen Entscheidungen von einem Schlachtschiff befehligt werden. Diese Konstellation hat sich im bisherigen globalen Gefüge bewährt. `

Welche Entscheidungsprozesse benötigt die Union in Hinkunft?

Diese Frage wird brisant, wenn man die Rohstoffsituation und den Weltmarkt betrachtet. Die Preise werden von Warenterminbörsen diktiert, einzelne mächtige Clans und Cliquen regieren Russlands Rohstoffe und Wirtschaft. China wird von einer Parteienautokratie kommunistischer Provenienz mit kapitalistischen neoliberalen Grundsätzen diktiert. Menschen in Afrika hungern weil an den Börsen die Preise für Mais künstlich steigen.

Ein Milliardär, dessen Gelder durch den Aluminiumhandel am Weltmarkt zusammengeflossen sind, hat den Widerstand gegen die europäische Verfassung in Irland gesteuert. Über das Internet, ein allseits bekannter Antieuropäer aus Österreich, der sich von der Union bezahlen lässt, war mit von der Partie. Eine seltsame Konstellation die zu denken gibt. Welches Interesse könnte dahinter stecken, wenn jemand versucht, den globalen Markt liberal zu halten? Die Europäische Union hätte die besten Voraussetzungen dem internationalen Markt Grenzen zu setzen, die für eine sozial-liberale Entwicklung notwendig wären. Doch gerade diese Entscheidungen könnten möglicherweise die Prosperität einzelner Besitzender und Rohstoffspekulierer beschränken. Europas Staaten hätten gemeinsam die Macht dem liberalen Handel von Börsenrittern Grenzen zu setzen.

Vielleicht ist dazu keine Verfassung und keine politische Union nötig, die mit Mehrstimmigkeit handelt, sondern eine starke wirtschaftliche Union.